Samstag, 23. November 2013

Interview in Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien

„Die Welt ist hochinteressant und man kann sich überall wohlfühlen“
ADZ-Gespräch mit Jorge Leuschner, Geschäftsführer des MAN-Importeurs „MHS Truck & Bus“ in Rumänien
Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien, ADZ, Mittwoch, 20. November 2013


Jorge Leuschner ist seit über sechs Jahren Geschäftsführer von MHS Truck & Bus, ein Unternehmen mit Hauptsitz in Bukarest und 311 Mitarbeitern landesweit. Es gehört zur erfolgreichen Gruppe „Automobile Bavaria“, dessen Geschäftsinhaber der gebürtige Sachse Michael Schmidt ist. MHS Truck & Bus ist der Generalimporteur von MAN-Fahrzeugen in Rumänien und hat unlängst seine achte Servicefiliale in Bacău eröffnet. Über seine Tätigkeiten und Erfahrungen sprach Dagmar Schneider mit Jorge Leuschner für die ADZ.

Wann zog es Sie und was zog Sie ausgerechnet nach Bukarest?

Es war 2002. Bevor ich nach Rumänien kam, war ich neun Jahre lang in der Hauptstadt von Venezuela, in Caracas tätig. Dort hatte ich eine Mercedes-Niederlassung aufgebaut. Mit dem Einstieg von Chrysler bei Mercedes im Jahr 1997 und dem Umzug der neuen Geschäftsführung in eine andere große Stadt, entschloss ich mich mit meiner Familie, nach Spanien zurückzukehren, wo ich vorher schon zehn Jahre gearbeitet hatte. Es kam aber anders als geplant, da in der Zwischenzeit Herr Ţiriac, welcher damals die Vertretung für Mercedes-Benz in Rumänien hatte, einen Geschäftsführer suchte und ich somit nach Rumänien kam. Zwischendurch war ich dann für kurze Zeit in Kuba und Serbien tätig. 2006 aber sprach mich zufälligerweise Herr Schmidt an, ob ich nicht die MAN-Niederlassung leiten wolle, die noch  im Aufbau war. Da ich darin Berufserfahrung hatte und auch ansässig werden wollte, stieg ich 2007, nachdem ich fast 30 Jahre lang für Mercedes gearbeitet hatte, in die MAN-Welt ein.

Durch die geschilderten Tätigkeiten in verschiedenen Ländern bringen Sie ein großes Know-how mit. Welche Eigenschaften muss eine Person haben, um einen erfolgreichen Betrieb zu führen?

Ich denke, dass ein Geschäftsführer sowohl durch Unterlassen als auch durch zu viel Tun eine Firma schädigen kann. Ich hatte ein Riesenglück in meinem Leben, weil ich als junger Mann in eine Abteilung bei Mercedes geraten bin – das war so eine Art Feuerwehr – die der Vorstand für den Export hatte. Ich wurde damals auf alle Kontinente der Welt geschickt für ein paar Wochen, Monate, um eine bestimmte Problematik zu lösen, die mit dem Vertrieb der Fahrzeuge zu tun hatte. Zum Beispiel wurde ich nach Uruguay geschickt, um einem jungen Studenten, dessen Vater einen Betrieb hatte und gestorben war, zu unterstützen und bei dem Weiterführen des Geschäftes zu beraten. Und da hab ich sehr viel gelernt, ich hab Betriebe gesehen, die gut liefen, und welche, die nicht so gut liefen, und konnte bestimmte Muster über Erfolg und Misserfolg ableiten und so habe ich diesen Job theoretisch-praktisch erst richtig gelernt, bevor ich dann in Venezuela den Aufbau und die Verantwortung der Niederlassung übernahm.

Da hab ich gemerkt, wie wichtig es ist, den Mitarbeitern die Möglichkeit einzuräumen, selbst ihren Bereich mit zu gestalten und Verantwortung zu übernehmen, dass man als Vorgesetzter sehen soll, dass die Mitarbeiter miteinander reden, Informationen austauschen, dass der Teamgeist gefördert wird. Den Leuten Regeln vorzuschreiben und zu kontrollieren, dass sie auch eingehalten werden, finde ich demotivierend. Wir haben zum Beispiel einen ganz kleinen Verwaltungsapparat, in dem jeder engagiert und sich seiner Verantwortung bewusst ist.

Und dann, eine andere Sache, die auch sehr wichtig ist und von der immer sehr viel geredet wird, ist die Kundennähe, mit anderen Worten, man muss sich um den Kunden kümmern. Hier in Rumänien gibt es etwa 20.000 Lkw-Halter, also Firmen, die einen Fuhrpark haben und rund 100.000 Lkw. Wir verkaufen circa 20 Prozent dieser Lkw, das heißt, wir müssen Kontakt haben sowohl zu bestehenden Kunden für Erneuerungsgeschäfte als auch zu Interessenten, mit denen wir noch kein Geschäft abgewickelt haben. Sie müssen fühlen, dass sie auch nach dem Kauf bei uns weiterhin gut betreut werden durch unser Serviceangebot.

Sie sprechen die Wichtigkeit der Kundenbetreuung an. Erzählen Sie uns, wie es dazu kam, in Bacău ein weiteres Servicecenter zu eröffnen.

Lassen Sie mich dazu von den ersten Jahren der Gründung von MHS Truck & Bus sprechen. Es war um das Jahr 2000, als ich noch bei der Konkurrenz tätig war, da überlegte sich Herr Schmidt, neben dem wachsenden Geschäft mit BMW auch eine Lkw-Abteilung in seinem Unternehmen zu haben. Da die MAN-Marke noch gar nicht so richtig vertreten war, fing er auf eigene Kosten an, eine Werkstatt nach MAN-Plänen in Otopeni zu bauen. Als die MAN-Manager diese Werkstatt sahen, bekam Herr Schmidt einen Händlerstatus. Um aber als Generalimporteur für Rumänien aufzutreten, wurde von der Leitung der MAN in München die Gründung einer eigenen Firma gefordert. So entstand MHS Truck & Bus, deren Leitung gleich zu Anfang mir übertragen wurde, mit einem damaligen Marktanteil von 8 Prozent, der in kurzer Zeit, durch die Gründung von weiteren Filialen und der permanenten Schulung der Mitarbeiter, auf über 20 Prozent wuchs.

Zum neuen Standort in Bacău muss gesagt werden, dass es schon seit langer Zeit ein Projekt gab für die sinnvolle Verteilung von Standorten im Land. Wenn man sich dann entscheidet für den Ort, muss man bestimmte Faktoren berücksichtigen, wie genügend Platz für das Abstellen der Lkw, die Lage des Grundstückes sollte womöglich am Stadtrand sein mit Strom und Gasanschluss und natürlich der Preis. Als das Grundstück in Bacău gekauft wurde, kam die Krise und so stoppten wir alles. Jetzt vor einem Jahr etwa begannen wir, wieder aktiv zu werden. Herr Pavel, dem der größte Baumarkt Rumäniens, Dedeman, gehört, hatte einen Renault-Truck-Betrieb in Bacău, in welchem die eigenen 160 Lkw gewartet wurden. Da er auf diesem Gebiet kein Experte war, bot er uns an, den Betrieb zu kaufen, und so einigten wir uns auf ein Tauschgeschäft. Unser Grundstück wurde als Anzahlung für den Renault-Betrieb veräußert. Die Angestellten wurden übernommen und zwei Monate lang geschult. Das moderne Gebäude musste nur wenig verändert werden und so konnte die Einweihung im Oktober erfolgen.

Welche Projekte haben Sie für die Zukunft? Wie sehen die Zukunftsprognosen in dieser Branche aus?

Zuerst mal müssen wir warten, dass der Lkw-Markt wieder auf ein normales Niveau zurück pendelt. Er ist sogar unter die Verkaufszahlen der 90-er Jahre abgerutscht. Es gibt eine Faustregel, die besagt, dass bei einer Million Einwohner ungefähr 1.000 neue Lkw pro Jahr gebraucht werden. Statt 20.000 werden aber nur um die 3.500 Lkw verkauft und das schon seit Beginn der Krise. Der gegenwärtige Zugang zu Krediten ist schwierig, was bedeutet, dass viele Kunden ihren Fuhrpark nicht erneuern, und das hat Konsequenzen. Das wird sich mit der Zeit schon ändern und wenn dann auch der Staat in die Erneuerung der Infrastruktur investiert, dann belebt sich der Markt. Dann erst könnte man sich überlegen, in den Orten Konstanza, Craiova, Großwardein, wo wir schon Grundstücke haben, aktiv zu werden.

Wie sehen Sie als Deutscher die Mentalität, das Miteinander der Menschen in Rumänien? Was fällt Ihnen auf?

Ich habe hier einen großen Vorteil. Da ich in Chile geboren und aufgewachsen bin, empfinde ich die Mentalitätsunterschiede nicht so stark. Die Erfahrungen, die ich durch meine weltweiten Tätigkeiten gesammelt habe, sind auf diesem Gebiet die gleichen. Überall gibt es sowohl Spannungen als auch Harmonie. Ich schaue aber, dass ich mit den Menschen rede über Sachen, die meiner Meinung nach nicht so gut laufen, und wo es Reibungen gibt, und versuche so, die Situation zu verbessern.

Die Welt ist hochinteressant und man kann sich überall wohlfühlen. Es hängt von einem selber ab. Und die Menschen sind überall dieselben, nur die Ausdrucksweise ist unterschiedlich.

Haben Sie Beziehungen zu Deutschstämmigen hier in Rumänien?

Wir haben sehr viele deutschstämmige Leute im Betrieb. Sogar aus Deutschland sind Rumänen deutscher Abstammung über Annoncen rekrutiert worden und wieder hergezogen. Für deutsche Firmen in Rumänien sind diese Leute ideal, weil die Deutschrumänen das Land gut kennen, die solide deutsche Arbeitsweise gelernt haben, die Art sich zu organisieren usw., aber auf der anderen Seite auch den einfachen Zugang zu den Rumänen haben. Deutsche werden übrigens hier, und auch in meinem Geburtsland Chile ist es nicht anders, unheimlich respektiert. Da die deutschen Produkte teuer sind, ist es wichtig, dass deutsche Firmen einen guten Vertreter haben, der durch gute Kommunikation dem lokalen Kunden zu verstehen gibt, warum sie teuer sind. Diese Konstellation mit Deutschrumänen ist daher für unser Geschäft optimal.

Welches sind Ihre Zukunftswünsche auf Rumänien bezogen?

Ich wünsche mir sehr, dass dieses Land vorwärts kommt, dass in die Infrastruktur investiert wird, dass es sich dahin entwickelt, wo es eigentlich hingehört. Die Menschen sollten die Möglichkeit haben, sich hier zu entfalten, und nicht wegziehen. Die Machtverhältnisse, die teilweise von Institutionen und Bürokratie gehalten werden und von Leuten, die charakterlich nicht so viel Macht haben sollten, das sollte sich ändern. Ich nehme Spanien als Beispiel, welches nach dem Eintritt in die EU Mitte der Achtziger sich von einem rückständigen Land in ein spritziges, weltoffenes Land entwickelt hat. Das wird in Rumänien bestimmt auch so sein, es ist nur eine Frage der Zeit.

Sonntag, 1. September 2013

Hirnforscher, Journalisten und das Schulsystem

Da ich zu viel Zeit im Verkehr verbringe, höre ich Podcasts. Man kann sogar Zeitungen hören, die man dann später gar nicht mehr zu lesen braucht. Herrlich! Die berüchtigten morgendlichen Staus der rumänischen Hauptstadt verlieren einen großen Teil ihrer schadenstiftenden Eigenschaft. Unter anderen abonniere ich Die Zeit in Audio-Ausgabe. Clever lesen, Zeit sparen.

Meine zwei Teenager gehen zum dem Zeitpunkt zur Schule. Ihr Erfolg da ist mehr schlecht als recht. Es wird viel Wissen vermittelt und dann abgefragt. Das ist nicht so ganz ihr Ding. Der Junge ist eher künstlerisch veranlagt und rein akademische Fächer fallen ihm schwer, beim Mädchen ist es eher andersherum, sie ist unterfordert und langweilt sich - beide motiviert in der Schule kaum noch etwas. In der Grundschule war das noch anders, da hatten Lehrer mehr Möglichkeiten, auf unterschiedliche Veranlagungen einzugehen. Die Lehrer der Oberstufe sind eher Fachleute, die ihren Stoff abgeben und dann kontrollieren müssen, was hängengeblieben ist. Doch ist in Zeiten, in denen das Wissen exponentiell zunimmt und das Internet jede Information bereithält, das was die Menschen brauchen?

Wenn ich die jungen Menschen ansehe, die mit uns im Betrieb zu arbeiten anfangen, kann ich mich dem Eindruck nicht erwehren, dass unser Ausbildungssystem sie eher zu konformen Bedenkenträger, bestenfalls karrierebessenen Individuen hinverbogen hat, die entgegen dem, was sie von sich selber halten, auch fachlich ziemlich hinter dem Berg sind. Wir müssen dann aus denen erst gute Kollegen machen, die lernen müssen, zu führen und geführt zu werden, die sowohl eigenständig wie im Team arbeiten können, die ihre vergrabene Kreativität wiederfinden und die sich ihr ganzes Berufswissen überhaupt erst einmal aneignen müssen.

Ich höre hin, ein Artikel über Bildung wird vorgelesen, über Bildungsrevolution. Das wird interessant. Martin Spiewak heißt der Journalist. Interessant wurde es dann leider doch nicht. Stattdessen muffelt der Journalist, dass sich Menschen wie der Populärphilosoph Richard David Precht oder ein wohl etwas selbstbezogener Prof. Gerald Hüther an dieses Thema heranwagen, die gar keine wissenschaftlichen Experten in der Angelegenheit sind. Da offensichtlich keine Experten vom pädagogischen Establishment am Schulsystem etwas auszusetzen haben, ist alles bestens. Es sind doch nur Laien, die einen diesbezüglichen medialen Wirbel veranstalten, eher nur - wie er andeutet - als Befriedigung ihres überdimensionierten Ego-Trips.

Den mich enttäuschenden Artikel können Sie hier nachlesen.

Es gab seitenweise Leserzuschriften. Der Autor selbst beteiligte sich auch an der Diskussion, ohne viel weitere Erkenntnisse beizutragen. Ich schätze Mal, dass 60% der Zuschriften meinten, man solle doch endlich mit den Reformen des Schulsystems aufhören und die Schüler bitte in Ruhe pauken lassen. Die übrigen meinten, so wie ich, dass die Zeiten sich gewaltig ändern, dass Menschen heutzutage eine ganz anders Ausbildung benötigen. Und dass das heutige System viel Entfaltungsmöglichkeit vergräbt, dass die Jugendlichen ursprünglich mit sich brachten.

Wie anders als der Artikel ist dagegen dieser 20-Minuten Beitrag von dem Engländer Ken Robinson in TED-Talk. Der bringt einen nicht nur dazu, sich dagegen oder dafür äußern, sondern mal wirklich nachzudenken. Das Thema ist universal, es betrifft Deutschland, USA, Rumänien, die Entwicklungsländer im gleichen Maß. Und ein Nachdenken ist das Thema bestimmt wert.






Ken Robinson: How to escape education's Death Valley

Donnerstag, 15. August 2013

Mitarbeiter wie Erwachsene behandeln?


Ich zitiere einmal die ersten Absätze aus einem Beitrag aus “Sein”, einem anregenden Print- und Onlinemedium:

“Weltweit starren Manager fassungslos auf die brasilianische Firma Semco, eine sehr breit aufgestellte Dienstleistungsfirma, die von Industrieequipment bis zu Postlösungen in diversen Feldern tätig ist: Was dort passiert, widerspricht allem, an was sie glauben. Die 3000 Mitarbeiter wählen ihre Vorgesetzten, bestimmen ihre eigenen Arbeitszeiten und Gehälter. Es gibt keine Geschäftspläne, keine Personalabteilung, fast keine Hierarchie. Alle Gewinne werden per Abstimmung aufgeteilt, die Gehälter und sämtliche Geschäftsbücher sind für alle einsehbar, die Emails dafür strikt privat und wie viel Geld die Mitarbeiter für Geschäftsreisen oder ihre Computer ausgeben, ist ihnen selbst überlassen.

Was für heutige Personalchefs klingen mag, wie ein anarchischer Alptraum, ist in Wirklichkeit eine Erfolgsgeschichte. Seit das Unternehmen von Inhaber Ricardo Semler umgestellt wurde, stiegen die Gewinne von 35 Millionen auf 220 Millionen Dollar. Und nicht nur die Zahlen geben Semler recht, sondern vor allem die Mitarbeiter: Die Fluktuationsrate bei Semco liegt unter einem Prozent.

Das Rezept ist einfach: Behandele deine Mitarbeiter wie Erwachsene, dann verhalten sie sich auch so. Je mehr Freiheiten du ihnen gibst, desto produktiver, zufriedener und innovativer werden sie. Ein Unternehmen besteht aus erwachsenen gleichberechtigten Menschen, nicht aus Arbeitskräften. Jeder hat das Recht, sich frei zu entfalten und eine gesunde Balance zwischen Beruf und Privatleben zu finden. Entgegen allem, was man aktuell zu glauben scheint, machen Druck und Stress Menschen nicht produktiv, sondern ganz einfach nur kaputt. Und dabei verliert das Unternehmen letztlich genauso wie der Mensch.”

(Es lohnt sich sicher, den kompletten Text zu lasen. Den finden Sie unter: http://www.sein.de/gesellschaft/neue-wirtschaft/2010/die-befreiung-der-arbeit-das-7-tage-wochenende.html ).

Diesen Link habe ich in meinem Twitter- und Facebook-Account angezeigt um interessierte Freunde darauf aufmerksam zu machen. Darauf antwortete mein Bruder Bruno:
"Das Buch von Ricardo Semler "Das Semco System" habe ich schon vor 20 Jahren mit Bewunderung gelesen und frage mich, wieso das nicht überall wo es möglich ist so gemacht wird."
Bruno ist Kapellmeister und Dirigent und hat, seinen Erzählungen zufolge, in seinem Berufsleben in der Musikerwelt ähnliche Erfahrungen mit Organisationen gemacht, wie ich im etwas weniger besinnlichen Milieu des Automobilhandels. Ich beantworte jetzt mal seine Frage mit den Erkenntnissen, die ich darüber im Laufe der Jahre gesammelt habe.

Wenn wir uns in der Natur andere in Gruppen lebende Tiere ansehen, ob das jetzt Hühner, Paviane oder Wölfe sind, finden wir da pyramidale Hierarchien, Statuspositionen, Hackordnungen - wie in unseren DAX-Konzernen und Opernhäusern auch. Jeder kämpft um seine Position zu halten oder höher zu kommen, nach der Regel, nach oben Bückling machen, auf die unten treten. Die Alpha-Tiere erfahren, einigen Forschungen zufolge, sogar hormonelle Änderungen, so dass sie unverhältnismäßig bissig auf diejenigen reagieren, die ihnen ihre Rolle streitig machen.

Strenge Hierarchie und klare Arbeitsteilung - oben wird gedacht, unten wird gemacht - sind offensichtlich Naturgesetz.

Nun hat aber gerade diese Natur uns Menschen ein Sonderrecht zugestanden: Neben den üblichen Instinkten und Hormonausschüttungen zur Verhaltenssteuerung bekamen wir ins Gepäck für unseren Lebensweg noch eine besonders gut ausgebildete vordere Cortex, mit der man relativ nüchtern brisante Dinge durchdenken kann. Man kann sich also damit zum Beispiel die Frage stellen, ob die überkommenen Verhaltensmuster des Zusammenarbeitens noch zielführend sind oder ob sich da nicht effektivere Strategien entwickeln lassen.

Größere Unternehmen haben schon lange festgestellt, dass hier Handlungsbedarf besteht. Ihre Management-Trainings-Kurse, die jeder werdende leitende Angestellte absolvieren muss, bevor er höhere Weihen bekommen kann, lehren das schon seit mehr als drei Jahrzehnten. Allerdings sieht man in der Praxis nicht so sehr, was die Theorie so fleißig lehrt.

Es bedarf viel Zeit, Geduld und Willenskraft, und auch eine gehörige Portion Macht, um hier tatsächlich, selbst peu a peu und in kleinen Dosen, Änderungen zu erreichen. Ricardo Semler ist mit Semco, wie man in seinen interessanten Büchern lesen kann, auch nur schrittweise zu dem gekommen, was das Unternehmen heute ist. Ihm sind viele Fehler unterlaufen, er ist lange falsche Fährten gefolgt. Dabei hatte er, was viele anderen in einer Organisation nicht haben: die Macht, denn er war der Besitzer und übernahm das Unternehmen relativ jung, nachdem sein Vater starb.

Semco ist bei weitem nicht der einzige Betrieb, der Erfolg aufgrund solch einer Umstellung der Arbeitswelt erreicht hat. Doch gibt es wenige, die bis jetzt so konsequent waren. Ein anderes Beispiel, wie die richtige Einstellung zum Mitarbeiter in einem mittelständigen Industriebetrieb wirkt, beschreibt recht munter Detlef Lohmann im Buch “Und Mittags gehe ich heim - die völlig andere Art, ein Unternehmen zum Erfolg zu führen” . (Siehe auch hier: http://www.brandeins.de/archiv/2012/das-gute-leben/der-beta-chef.html ). Sein Unternehmen Allsafe Jungfalk wäre ohne die sukzessiv verlaufene Entwicklung zu einer Hierarchie-entschlackten Organisation im Standort Deutschland gar nicht mehr überlebensfähig.

Hier gibt es kein allgemeines Rezept. Das würde nur schiefgehen. Die ideale Organisationsform ist von der Aufgabe und von Menschen bestimmt. Und die Welt ist bunt.  Doch selbst da, wo enge Grenzen gesetzt sind, kann jeder, der Mitarbeiter zu leiten hat, zum Beispiel Folgendes tun:

  • Den Menschen mehr Freiraum für Entscheidungen geben. Viele Wege führen zum Ziel, nicht nur die des Chefs.
  • Den Menschen beibringen, Verantwortung zu tragen.
  • Diese Verantwortung nicht gleich wieder einziehen, wenn mal etwas schief läuft.
  • Die Organisation um die Menschen bauen - statt Menschen in die Kästchen eines vorgedachten Organigrams einzuzwängen.
  • Die Arbeitszeiten, soweit es technisch geht, von den Mitarbeitern selbst gestalten lassen. Wenn die Verantwortungsfrage richtig geklärt wurde, wird das auch immer funktionieren. Eine Eule arbeitet morgens mehr schlecht als recht, ein Frühaufsteher fängt am frühen Nachmittag an zu gähnen.
  • Menschen respektieren. Darauf achten, dass sich auch jeder andere daran hält.
  • Vertrauen als Vorschuss schenken. Menschen respektieren das sehr und nur sehr wenige werden dann enttäuschen.  
  • Offen Information zum Unternehmen geben. Geheimnisse sind meistens Kinderkram.
  • Formulare, Regularien, festgelegte Abläufe da abschaffen, wo das Weglassen wirklich nicht zu einem Problem führt. Die meisten Verordnungen und Regeln sind überflüssig. Besser ist immer noch der allgemeine Menschenverstand. Und über den verfügt jeder.
  • Er hilft allen, die Angelegenheiten der Kunden so zu beherzigen, als wären es die eigenen.
  • Die Türen, auch die Chefs, sind immer offen. Jeder soll ungefragt hereinkommen können.
  • Er sollte mindestens einmal am Tag bei allen seinen Leuten vorbeischauen. Dabei ist er freundlich und zuvorkommend. Lobt deutlich, was zu loben ist.
  • Die steifen Hierarchien sind nicht nur deswegen da, weil das von machthungrigen Chefs so fürs beste gehalten wurde. Sie sind auch deswegen da, weil Untergebene sich gerne zu Untergebenen machen und Verantwortung und Entscheidung dem Alpha-Tier überlassen. Er sollte daher niemals eine Rückdelegation akzeptieren, auch keine Vorlage zur Entscheidung ohne die Entscheidung des Sachkundigen selbst.
  • Er setzt die Menschen da ein, wo sie gut sind. Fördert sie auch da mit Weiterbildung usw., wo sie gut sind. Es bringt meist nichts, jemand in einen Kurs zu schicken um etwas in einem Gebiet zu lernen, in dem er schwach ist.
  • Er verteilt Aufgaben mit der zugehörigen Verantwortung, keine Positionen, keine Stellenbeschreibungen.
  • Er lässt die Leute Ziele setzen. Dabei sollte immer ein Termin und ein (nur ein!) Verantwortlicher stehen. Ein Mensch sollte nicht mehr als fünf Ziele gleichzeitig verfolgen.
  • Besser wenig gute Leute als viele schlechte.
  • Er erlaubt keinem, Kritik an einem Kollegen vorzubringen, wenn dieser nicht anwesend ist.
  • Er greift bei Konflikte zwischen Kollegen sofort und beherzt ein. Am besten mit allen im Raum. Auch hier erlaubt er keine Kritik am anderen, aber doch eine Problembeschreibung. Meistens wird nach einer Aussprache die Situation bereinigt. Schwelen werden allerdings solche Konflikte meist weiterhin, denn ihre Ursache liegt in der Rivalität unter Gleichgestellten. Wenn er allerdings erreichen konnte, das Hierarchiedenken abzubauen, lassen diese Konflikte auch nach. Das dümmste ist, solche Konflikte anzufachen, “dass der bessere sich durchsetze”. Das kommt teuer.
  • Er achtet auf Loyalität. Aber nicht gegenüber ihm, sondern gegenüber dem Unternehmen.

Ich habe diese kleinen “Tricks” immer erfolgreich angewendet, erfolgreich für die Organisation, selbst unter sehr schwierigen Umständen. Sogar in unterentwickelten Ländern mit sehr einfachen Menschen, die mir mit der Beschreibung “arbeitsfaul”, “diebisch” und “dumm” zur Leitung übergeben wurden. Der Umsatz und die Erträge, die wichtigste Messlatte des wirtschaftlichen Erfolgs in meiner Branche, sind immer erstaunlich schnell und hoch gestiegen. “Glück gehabt”, wurde mir bescheinigt. Das glaube ich nicht, so eine permanente Glückssträhne gibt es nicht. Es war allerdings auch nicht mein Verdienst. Es war der Verdienst der Mitarbeiter. Die haben mit Freude und sehr effektiv gearbeitet, nachdem sie die neuen Regeln verinnerlicht hatten.

Natürlich begibt man sich hier in jeder Organisation auf dünnes Eis. Bei so einem Umdenken kann man schnell wegschliddern oder gar einbrechen und untergehen. Denn die Maßnahmen sind entgegengesetzt zu unserer normalen Intuition und deshalb wahrscheinlich auch der Erwartungshaltung der Vorgesetzten. Die werden vielleicht gar nicht abwarten, bis sich die Erfolge zeigen, sondern diesen Revoluzzer schon vorher abgehakt oder in die Wüste geschickt haben.

Aber es ändert sich doch überall vieles, die Dinge laufen langsam in diese Richtung. Mehr und mehr Kompetenz wird aufgeteilt, Menschen definieren flexibel, wie was zu tun ist, arbeiten in Gruppen an bestimmten Aufgaben, motivieren sich selbst an ihr. Seltener und seltener sind taylorische Arbeitsstrukturierungen wirklich erfolgreich.Sie sind nicht mehr zeitgemäß und effektiv schon gar nicht.

Sehen Sie gerne Krimis? Dann können Sie beide Ansätze hier gut illustriert vorfinden, wenn Sie die Polizeimannschaften in den Serien “Alles Klara” und “Wallander” vergleichen. Im ersteren herrschen noch Zustände wie im Alten Rom, die Vorgesetzten sind Despoten (was, dem Himmel sei Dank, in diesem Fall die Mitarbeiter nicht hindert, motiviert und auf ihre Weise die Fahndung durchzuführen und regelmäßig nach weniger als einer Stunde den Täter überführt zu haben). Es wirkt aber alles recht unecht. Auf die Dauer können sich doch solche Vorgesetzte nicht halten, nicht einmal in Zimbabwe.

Bei Wallander ist die Sache subtiler (wenn auch zumeist unter sehr blutigen Umständen). Wallander weiß, dass er am besten führt, wenn er loslässt. Seine Meinung hält er dabei nicht hinter dem Zaun, doch lässt er viel gewähren. Was er seinen Kollegen sagt, ist eher die Meinung eines erfahrenen Kommissars und Menschen, aber nicht die Leitlinie, die alle blind zu befolgen haben. Jeder seiner Leute setzt seine ganz persönliche Fähigkeit ein, und der Täter wird letztendlich von einem tatsächlich starken Team überführt. Echt schwedisch wahrscheinlich.

Samstag, 10. August 2013

Siebenbürgen - was für eine schönes Land!

Kürzlich war mein Sohn und ich im bezaubernden Siebenbürgen in Rumänien- hier wohnen Deutsche seit dem 13. Jahrhundert - bei der fröhlichen Wiedereinweihung von der Kirche in Crit, dem kleinen Deutschkreutz, die auch ihre 200 Jahre alte Orgel renoviert bekam, dank der Michael-Schmidt-Stiftung.


Die Gegend dort nennt man Haferland - man kann herrlich Spazieren gehen, die Natur genießen und die bewegte und interessante Geschichte der Kirchenburgen studieren.


Dienstag, 11. Juni 2013

Avaaz hilft auch mal jenen, denen nicht mehr zu helfen ist


Habe mal wieder ein Email von Avaaz bekommen mit einem Aufruf, eine Petition zu unterstützen. Statt diese zu unterzeichnen, was ich sonst mal tat, habe ich dieses Mal den Leuten geantwortet, die mir die Email zusandten. Vermutlich war's das dann. Aus diesem Verdacht heraus kopiere ich meine Antwort auch noch hier.


Lieber Alex Wilks, Jeremy, Christoph, Marie, Ian, David, Paul, Ricken und das ganze Avaaz-Team,

Sie schicken mir Emails mit Aufrufen, bei Ihrer Organisation Petitionen zu unterschreiben und für sie Geld zu spenden. Ich mag Ihr Engagement, wenn es darum geht, Menschen in Not zu helfen oder die Natur zu schützen.

Ihr letztes Schreiben allerdings widerspricht meinem Empfinden, sich für die richtige Sache einzusetzen. Ich werde mir daher erlauben, auf dieses genauso polemisch zu antworten, wie Sie das Thema angehen. Eine plakative Stellungnahme hilft ja manchmal, zum Denken anzuregen.

Sie schreiben über das riesige Steuerschlupfloch, das jährlich 1 Billion Euro verschlingt, weil global agierende Unternehmen und reiche Menschen ihre Gewinne und gehorteten Reichtümer auf Steueroasen verschieben. Würden diese entgangenen Steuern bezahlt, schreiben Sie, könnte man weltweit die Armut beseitigen, jedem Kind einen Schulplatz bieten und umweltfreundliche Investitionen verdoppeln.

In der Tat ist 1 Billion, also eine 1 gefolgt von 12 Nullen, eine große Zahl. Mit so viel Euro könnte man viel Gutes tun. Nun frage ich Sie aber, wer? Wer soll da so viel Gutes tun? Etwa unsere Regierungen, die ja die Steuern einnehmen?

Das weltweite jährliche Steueraufkommen ist etwa zehnmal so groß wie die von Ihnen genannte Zahl, die Steuerschlupflöcher verschlingen. Und was machen die Regierungen dieser Erde mit diesem vielen Geld? Die Armut beseitigen? Jedem Kind einen Schulplatz bieten? Verdoppeln sie die umweltfreundlichen Investitionen? Ihre Staatshörigkeit in Ehren, doch das macht mit dem vorhandenen Geld keine Obrigkeit und keine Verwaltung wirklich.

Dass diese jetzt aber ein 10% höheres Steueraufkommen nun doch dafür verwenden würden, ist ja wohl sehr verwegenes Wunschdenken. Viel eher ist zu erwarten, dass das gleiche Trauerspiel weitergeht, das wir bereits haben, eben nur auf höherem Niveau.

Es gäbe zum ersten ein paar Kriege mehr. Das ist schon seit Menschenbeginn so, dass man sich um das liebe Geld wegen die Köpfe einhaut. Es gäbe ja mehr Gründe, Krieg zu führen, wenn mehr zum Wegnehmen auftaucht. Und es gäbe ja auch mehr Mittel, Kriege zu finanzieren.

Es gäbe auch mehr Geld, das korrupte Politiker in ihre Taschen stecken könnten. In den meisten Ländern der Welt ist das leider der zu erwartende Ausgang, wenn der Staatsapparat zu mehr Einnahmen kommt.

In den restlichen Ländern wäre die Sache doch auch nicht besser, wie die Erfahrung lehrt. Wahrscheinlich würden da die Politiker das zusätzliche Geld dafür verwenden, um die nächste Wahl zu gewinnen. Oder um ihren Ego-Trip auf Kosten der Allgemeinheit noch eine Stufe höher zu schrauben. Machthaber sind ja auch nur Menschen. Und Menschen ticken so: Erst komme ich. Dann meine Verwandten. Dann meine Freunde. Und die anderen können mich mal.

Vielleicht ist das gerade mal in der Schweiz anders, wo keiner die Regierenden kennt. Und sicher gibt es auch unter den Politikern ein paar Ausnahmen, wie Nelson Mandela oder der sympathische Präsident José Mujica in Uruguay, der weiterhin so bescheiden wie eh und je lebt. Solchen könnte man ja gerne ein gestiegenes Steueraufkommen gönnen. Doch bei all den anderen? Die würden mit dem zusätzlichen Geld noch ein Opernhaus ins Wasser setzen oder einen weiteren Flugplatz, der nicht fertig wird, in Bielefeld oder sonst wo bauen.

Und das Schlimmste ist: Verbesserte Einnahmen steigern die Kreditwürdigkeit. Die Regierungen würden noch mehr Schulden aufnehmen, die Finanzlücken noch größer werden.

Sehen Sie sich als abschreckendes Beispiel das Venezuela von heute an. Aufgrund des gestiegenen Ölpreises hatte das Land jahrelang staatliche Einnahmen in einer Größenordnung, die weit die Wirtschaftskraft des europäischen Marshall Plans nach dem Zweiten Weltkrieg übersteigt. Es waren wohl mehr als 1,5 Billionen Euro. Und was ist mit dem vielen Geld passiert? Ein bisschen davon ging an soziale Ausgaben und kam armen Menschen zugute - allerdings dürfte das höchstens einen einstelligen Prozentsatz der gesamt zur Verfügung stehenden Summe ausgemacht haben. Der Rest wurde verprasst, gestohlen oder benachbarten Diktatoren zur Verfügung gestellt - um den maroden Zustand in deren Ländern zu kaschieren und deren Machterhaltung zu verlängern. Und jetzt ist Venezuela verschuldet wie nie zuvor, die Wirtschaft zerschlagen. Die Menschen stehen Schlange um an Grundnahrungsmittel oder einfache Hygieneartikel zu kommen. Die Party ist vorbei, die Misere geblieben.

Und was hat Apple, das Unternehmen das Sie anprangern, gemacht? Oder Google? Diese bösen Organisationen, die die von Politikern ersonnenen oder übersehenen Schlupflöcher doch tatsächlich ausnutzen um Steuern zu sparen und Kosten zu senken? Während das oben beschriebene in Venezuela passierte; oder während im gleichen Zeitraum der USA-Präsident in den Irak einmarschierte und dann, nachdem 150.000 oder mehr Menschen dort umgekommen sind, sein Nachfolger nun wieder die Truppen abzieht; in der Zeit des EU-Zerfalls, in dem jedes Land nur nach der eigenen Zweckdienlichkeit in der Union trachtete; in den gleichen Jahren entwarf Apple zum Beispiel das iPhone, das iPad und ein Rechnersystem, das vielen, vielen Menschen Nutzen bringt und echte Freude macht. Billig sind sie nicht, die Apple-Geräte, aber was ich dafür ausgab ist nur ein Bruchteil der Steuern gewesen, die ich abführen musste. Für das Geld hat mir Apple allerdings viel - viel! - mehr gegeben als der Staat, der so viel mehr kassierte.

Oder Google, die arge Krake, die ebenfalls ein ehrenamtliches Steuerzahlen verweigert, indem es bestehende Regeln zu seinen Nutzen anwendet? Ich kann dank Google im Netz jede Information finden, und brauche dafür nichts zu zahlen. Vor zwanzig Jahren hätte ich nicht geglaubt, dass so etwas überhaupt möglich ist. Ich habe bei Google ein Email-Postfach, es kostet mich nichts. Ich nutze einen Blog von Google. Gratis. Ich kann jede Adresse in traumhaften Luftaufnahmen auf Google Earth finden. Umsonst. YouTube verbindet mit dem Hochladen der Familienvideos meine weit verstreute Sippe. Kostenlos. Nun ja, es erscheint etwas Werbung, und meine Daten werden gesammelt. Die Werbung stört mich nicht, auf jeden Fall weniger als das selbstgefällige Geschwätz der Politiker in den Fernsehnachrichten, für welche ich auch noch gezwungen werde, Gebühren zu bezahlen. Und was meine Daten angeht, bin ich der Meinung, dass diese bei Google immer noch besser aufgehoben sind als beim Staat. Denn Google hat zwar sicher einiges mehr an Macht, als es braucht, aber es wird bestimmt nicht nachts kommen und mich abführen, weil ich nicht genehme Informationen nutze.

Auch Sie erreichen Ihre Zielgruppe mit Emails. Dank einem System, das kein Staat oder Regierung dieser Erde jemals auf die Beine gebracht hätte. Stellen Sie sich vor, Sie wären - wie vor einigen Jahren noch - auf die Post angewiesen, statt portofrei Emails verschicken zu können. Sie müssten also Briefmarken kaufen, sie auf Umschläge kleben und diese mit der Adresse versehen. Wird es Ihnen nicht klar, dass diese globalen Unternehmen wirklich etwas tun für uns, die Allgemeinheit? Ganz zu schweigen von den Initiativen von Bill und Melinda Gates mit ihrer Stiftung, die bereits mehr Gutes in Entwicklungsländern erreicht hat als alle zusammengenommene staatliche Entwicklungshilfe vorher.

Liebes Avaaz Team, Sie unterstützen die falschen. Die Regierungen haben doch schon viel zu viel Macht und brauchen Ihre Hilfe und meine Spende gar nicht. Statt die Kontrollschrauben beim Steuerzahler noch weiter anzuziehen, sollten die lieber ihre Steuersysteme vereinfachen und vereinheitlichen. Weil aber der jetzige Zustand ihre Macht stärkt, wird jeder Appell in diesem Sinne ins Leere verpuffen.

Sollten Sie nicht lieber eine Petition aufsetzen, dass solch eine Firma zum Beispiel hier, von wo ich schreibe, Straßen baut? Völlig kostenlos für den Steuerzahler, mit Werbung finanziert? Alle hundert Meter ein Coca-Cola Logo im Asphalt, und wir hätten endlich ein brauchbares Straßennetz in Rumänien.

Dienstag, 23. April 2013

Kurtaxe. Oder: Jetzt geht es um die Wurst


Da brauchen wir uns keinen Illusionen hinzugeben. Auch wenn hohe Funktionäre sich auf die Brust schlagend behaupten, dass Steuerflucht nicht nur kein Kavaliersdelikt sei - das ist sie mit Sicherheit nicht - sondern die schlimmste Form asozialen Verhaltens, sollten wir uns klar darüber sein, dass in zehn oder zwanzig Generation, je nachdem mit welcher Geschwindigkeit der Fortschritt der Menschheit vorangetrieben wird, die Leute schallend lachend werden über den Eifer und den Einfallsreichtum, mit dem heutige Politiker Steuern erfinden, rechtfertigen und ahnden. Die Menschen werden sich auf die Schenkel klopfen und Tränen aus den Augen reiben beim Erzählen über unsere ulkigen Systeme, mit denen das Staatswesen seine Finanzen erbeutete. Nicht anders, als wir über Raubritter reden.

Schon heute gibt es erste Ansätze dieser zukünftigen Lachnummer, man braucht nur ein bisschen im Internet zu surfen. Die Amerikaner machen sich lustig über unsere Rundfunkgebühren, finden das und vieles andere mehr in den Steuersystemen des alten Kontinents schlechterdings unglaublich.

Nachdem wir unserer Nachwelt jede Menge Schulden, eine ziemlich ramponierte Umwelt und viel weiteren Heckmeck hinterlassen, ist es natürlich nett, mit unserem urkomischen Steuergehabe zumindest für etwas Fröhlichkeit in den folgenden Jahrhunderten gesorgt zu haben. Das sollte uns allerdings nicht daran hindern, schon jetzt ein paar Gedanken darüber zu verlieren, wie denn das Steuersystem reformiert werden könnte. Ich denke, es wäre gar nicht so dumm, den Versuch zu starten, ein funktionierendes System an uns Menschen anzupassen, statt weiter den permanenten Wahn zu verfolgen, die Menschen mit einem nicht funktionierenden zu unterwerfen.

Immerhin gab es bereits den einen oder anderen Versuch, das Abgabesystem zu rationalisieren. Ein Politiker setzte das Ziel, eine Steuererklärung auf einen Bierdeckel unterzubringen. Ein anderer wollte das Steuersystem auch grundsätzlich vereinfachen und wurde vom politischen Gegner schnell als spinnender Professor verhöhnt. Beide verschwanden von der Bildfläche. Schade. Allerdings, ein System, das tatsächlich unserem Wesen gerecht wird und trotzdem den Staat mit den notwendigen Einnahmen versorgt, um seine Aufgaben für die Allgemeinheit nachzukommen, steht noch aus.

Immer wieder wird heute in den Medien die Frage aufgeworfen: Wieso versuchen so viele Gutverdiener, die Steuer zu umgehen? Verdient ein bayerischer Wurstfabrikant denn sowieso nicht genug? Was soll diese Gier? Die ist doch krank.

Krank?

Besitz ist nicht nur ein Kulturgut der Menschheit. Um bei der Wurst zu bleiben: Geben sie eine dem niedlichen Dackel vom Nachbarn. Jetzt versuchen sie mal, dem sonst so freundlich gesinnten Tierchen dieselbe aus dem Maul zu ziehen. Oder beim Menschen, da können sie ganz früh testen: Nehmen sie doch einem Baby den Schnuller weg. Oder probieren sie es bei einem älteren Exemplar: Verlangen sie vom Firmenbesitzer eine Gehaltserhöhung. Die Reaktion ist die jedes Lebewesens, wenn es Gefahr verspürt: Es reagiert aggressiv. Oder es flüchtet. Oder es stellt sich tot. Instinktiv. Und welche dieser drei Optionen im konkreten Fall angewandt wird, entscheidet ganz schnell und spontan das Kleinhirn, über das sogar jede Eidechse verfügt, das keine Rationalität kennt und erst recht keine Moral, die sich irgendwo im menschlichen Frontalhirnbereich befindet, wenn überhaupt.

Die Kognitionswissenschaft hat inzwischen das menschliche Hirn während einer Geldausgabe gescannt. Es werden da die gleichen Areale aktiviert, die auch bei Todesgefahr in Anspruch genommen werden.

Todesgefahr.

Also ist die natürliche Reaktion auf Steuerzahlen die Flucht. Die Steuerflucht. Oder sich tot stellen: Kann mich nicht entsinnen, fragen sie meinen Anwalt oder Steuerberater. Aggression ist seltener. Ich erinnere allerdings einen Fall in den achtziger Jahren, bei dem diese dritte der natürlichen Reaktionen vom Kleinhirn der reich gewordenen Flamenco-Sängerin Lola Flores gezogen wurde. Sie schimpfte wie ein Rohrspatz, als die spanische Steuerfahndung sie festnahm, weil sie noch nie Einkommensteuer gezahlt hatte.

Das ist allerdings so. Wer gegen das Gesetz handelt, muss damit rechnen, festgenommen zu werden. Vor nicht allzu langer Zeit war Homosexualität ein Delikt. Wurde man überführt, drohten Gefängnisstrafen. Inzwischen hat man sich bei uns und in den meisten Ländern klar gemacht, dass das ein Gesetz gegen das von der Natur vorgegebene Verhalten von vielen Menschen ist.

Je besser wir den Menschen verstehen lernen, desto besser können wir auch unsere Gesetze gestalten.

Warum muss man eine Steuererklärung abgeben? Selbst auf einem Bierdeckel - es geht uns doch allen gegen den Strich. Bei den Möglichkeiten, die den Finanzämtern heute zur Verfügung stehen, ist das schlicht Unfug, was dem Bürger da zugemutet wird. Im Strafrecht muss ja auch keiner gegen sich selbst aussagen. Den meisten von uns wird bei der Bank die Quellensteuer auf die mageren Zinsen und die Einkommenssteuer bei der Gehaltsabrechnung des Arbeitgebers abgezogen. Unsere Bezüge sind alle bekannt und transparent, ob wir reich sind oder arm.

Bleibt da noch das Geld, das im Ausland verdient wird. Einige Länder, Oasen ohne Wüste zumeist, geben Informationen zu den Verdiensten nur ungern weiter. Da frage ich mich allerdings, steht einem Staat eine Steuer auf das Einkommen im Ausland überhaupt zu? Wohne ich in Deutschland, muss ich all mein Einkommen, egal wo erwirtschaftet, in Deutschland versteuern. Warum? Die Vereinigten Staaten gehen sogar noch weiter. Jeder US-Bürger, unabhängig von seinem Wohnort, also auch wenn er in Timbuktu wohnt, muss sein Einkommen in den USA versteuern. Weil er Amerikaner sein darf?

Die Abgaben werden doch mit dem Argument begründet, dass der eintreibende Staat etwas geleistet hat, was die Einnahmen des Steuerzahlers ermöglicht. Zum Beispiel, durfte er da zur Schule zu gehen. Oder, wenn nicht er, dürfen es nun seine Kinder. Oder er ist abends in den Genuss von der öffentlichen Strassenbeleuchtung gekommen.

Aber setzen wir doch einmal den Fall, ich, ein einfacher Angestellter, den immer seine Steuern auf Einkommen und Sparzinsen einbehalten wurden und der jedes Jahr brav zwei Wochenende drauf gehen lässt, um die Steuererklärung hinzubekommen, erbe plötzlich von einem zwar kinderlosen doch mir eher unbekannten Vetter meiner Mutter eine Wurstfabrik in der Karibik. Diese wirft nun jedes Jahr eine Million Euro Gewinn ab. Dass ich diese in der Karibik versteuere, leuchtet ein. Dort ermöglicht der Staat ja das gute Funktionieren meiner Fabrik. Aber warum soll ich das nun hier versteuern? Weil ich hier wohne, es das Gesetz so vorsieht, oder man zieht weg. Nun ja. Doch ich würde gerne in Deutschland bleiben und das Geld auch hier ausgeben. Aber dafür Steuern zahlen? Warum denn? Was hat den Deutschland für dieses Einkommen getan, wie hat es es ermöglicht? Weil die Nazis den Vater des Onkels verjagt haben, und unter den Nazis auch viele Deutsche waren? Oder was?

Quellensteuern auf Kapitaleinkünfte sind richtig. Die verlangt man, seit einigen Jahren und völlig korrekt, in Deutschland von In- und Ausländern. Denn dafür hat der Staat hier auch jede Menge Leistung erbracht. Steuern auf Einnahmen im Ausland gehören gestrichen, denn dafür hat der Staat in der Regel nichts erbracht und die Kontrolle, sprich der fragwürdige Einkauf von gestohlenen Bankdaten, ist auch recht aufwendig. Wenn wir eine Weltregierung haben, können wir wieder darüber sprechen. Doch bis jetzt kriegen wir ja nicht einmal ein vereintes Europa hin.

Nun höhnt man noch über Wurstfabrikanten und führt sie dann ab. Ist doch klar, auf Minderheiten herum zu hacken macht populär. Besonders, wenn diese zu den Reichen gezählt werden. Darauf hat schon so mancher Politiker eine unheilvolle Karriere bauen können. Doch, auch wenn vermögende Leute unsympathisch sein mögen und der Neid uns Besitzlose gerne packt: Wir brauchen die. Ein Land ohne wirklich Reiche wird schnell arm. Wenn es dem Reichen an den Kragen geht, werden bald alle ärmer.

Unsere Politiker weisen völlig zurecht auf die zunehmende Schere zwischen Arm und Reich hin. Geld verklumpt sich, wie ich in einem anderen Blog erläutere. Doch, wie wäre es, statt die Reichen stärker zu belangen, es uns übrigen zu ermöglichen, mehr Vermögen zu erwirtschaften und es halten zu dürfen? Sozusagen die Schere von der anderen Seite her zu schließen? Mir selber ist es, bei aller Missgunst, eigentlich lieber, selber reicher zu werden als die Reichen ärmer werden zu lassen.

Sonntag, 31. März 2013

Geld verklumpt sich

Im Sozialismus waren alle gleich arm, mehr oder weniger. Doch schon kurz nach dem Fall der Mauer gab es in den ehemaligen GUS-Ländern Oligarchen, Menschen mit teilweise obszönem Reichtum. Eine kleine Minderheit unter den vielen anderen, die nun wirklich arm dran waren.

Rückblende: Unser kleiner Flieger setzt zur Landung an. Unten sehe ich Wüste in schmutzigem Grau. Dann plötzlich Grün, Palmen, Rasen, auf dem Reissbrett erstellte Straßenzüge, schöne Häuser, Golfplätze: Palm Spring.

Mit einigen Hundert anderen sind wir auf die Händlertagung eingeladen. Offensichtlich wurde das schöne Resort-Hotel komplett für unser Treffen angemietet, denn wir sehen nur Gäste mit Namensschildern, wie sie auch uns umgehängt wurden. Unsere Besonderheit: Wir sind vier Deutsche, alle anderen Amerikaner.

Abends erstes Zusammentreffen in einem maßlos großen Raum. Jeder erhält einen Stoffbeutel mit Jetons, die, mit dem Firmenlogo geprägt, in der Summe 100 Punkte Spielgeld ergeben. Im Saal sind alle bekannten Arten der Casino-Tische aufgebaut, Croupiers fordern zum Spielen auf. Auf der Bühne erklärt ein Veranstalter, dass es zwar für die Chips am Schluss in zwei Stunden keine Dollars geben würde - damals waren die was wert - sondern man damit an einer Versteigerung der Preise teilnehmen könnte.

Ein hoher dunkelblauer Vorhang tat sich auf, zu sehen waren die Preise: Ein Oldtimer-Cadillac, rosa. Wow! Eine Harley Davidson. Und noch ein paar Trostpreise.

In uns erwachten spontan die - ansonsten verkümmerten - frühkapitalistischen Genen. Wir wollten den Cadillac, zumindest den Roller! Als erstes taten wir unsere Startkapital zusammen. Jetzt hatten wir schon einmal vierhundert - damit allein ließen sich doch sicher die amerikanischen Einzelkämpfer um uns herum schlagen. Wir vertrauten unser Guthaben der einzigen Dame unter uns vier an, und setzten auf ihre angeborene weibliche Intuition. Zusätzlich berechnete der Controller unter uns, welche Spiele die aussichtsreichsten Gewinnchancen hätten. A winning team.

Schon bald sahen wir die ersten langen Gesichter um uns herum. Mit leeren Beuteln guckten sie neidisch zu, wie wir trotz der nach der Wahrscheinlichkeit höheren Gewinnchancen der Spielbänke, erst einmal unser Startkapital halten konnten, und später sogar noch etwas zulegten. Als die zwei Stunden herum waren, hatten wir unser Vermögen nahezu verdoppelt und strahlten der Preisversteigerung entgegen.

Erst waren die kleineren Dinge dran. Wunderlich, ein schäbiger Schal für 1.200 Punkte? Na ja. Mit amerikanischem Bombast kam dann der Höhepunkt: Die beiden Fahrzeuge. Das Motorrad ging für über 40.000, der Cadillac für über 70.000 an den jeweiligen Bestbieter. So eine Enttäuschung! Wie hatten die das in zwei Stunden geschafft? Und wir hatten nichts als ein Beutel mit wertlosen Jetons.

Nun arbeite ich schon lange in Ost-Europa und kann mir ganz gut erklären, wie es in Palm Spring dazu kam und warum es in diesen östlichen Gefilden einigen Wenigen gelang, so flugs und grandios auf die Sonnenseite des Kapitalismus herüber zu springen.

Geld verklumpt sich. Wie die Materie, von der es nur wenig Brocken im Universum gibt und der Rest ist leer, muss es auch irgendwelche Elementarteilchen für die Gravitation beim Geld geben. Einige haben dieses Higgs Boson fürs Geld aus Zufall, Glück, Frechheit - und ein paar sogar durch Fleiß gefunden. Bei denen kumuliert es. Für den Rest von uns zieht es als fernes, glitzerndes Gestirn am Firmament vorbei.






Freitag, 15. März 2013

Mia bleibet hier

Da ich nicht in Deutschland lebe, mache ich dies selten: während ich dies schreibe, fahre ich mit der Bahn von München bis Mannheim. Ein kalter Märzabend, die Mondsichel scheint dünn vom schwarzen Himmel ins Abteil zu grinsen.

Stuttgart. Hier habe ich einige schöne Jahre gelebt, liegt aber schon einiges zurück. Bin nach vorne fahrend heute hinein und fahre gerade rückwärts wieder heraus, was nicht so angenehm ist. War wohl noch nichts mit dem Bahnhofsumbau. Zurück blicken auch meine Erinnerungen.

Ein Theaterbesuch fällt mir wieder ein, ich fand nur einen Sitzplatz ziemlich hinten, von dem aus die Bühne gar nicht gut zu sehen war. Stuttgarter sind pünktliche Menschen, schon eine Viertelstunde vor Beginn waren alle da und warteten auf das, was da vorgestellt werden sollte. Da entdeckte ich in den ersten Reihen ein befreundetes Ehepaar. Wir winkten uns zu. Mit Zeichen gaben sie zu verstehen, dass sie sich gerne neben mich setzen wollten, damit wir uns noch ein bisschen unterhalten könnten. Neben mir saß eine Ehepaar, dem ich anbot, mit den viel besseren Plätzen meiner Freunde zu tauschen. Sie schauten mich gar nicht an, sahen stattdessen wie versteinert zum Boden. "Mia bleibet hier", sagte schliesslich und bestimmt der Mann, weiterhin nach unten blickend.

"Mia bleibet hier" wurde in meinem Freundeskreis schnell zum Spruch, um diese oft anzutreffende Neigung zu beschreiben, sich neuen Sachen zu verweigern, weil man grundsätzlich der Meinung ist, dass Unbekanntes schlecht sein muss und man im Leben eigentlich immer nur aufzupassen hat, nicht angeschmiert zu werden.

Ich lese im Spiegel Online, dass das EU-Parlament mit großer Mehrheit die Sparvorschläge der Regierungen zum EU-Etat abgeschmettert hat. Gut, denke ich in meiner Naivität. Europa brauchen wir alle, Europa macht uns gemeinsam stark, Europa ist die Chance für unsere Kinder, nicht vom Fernen Osten her überrollt zu werden. Um Europa zu gestalten, braucht man Mittel, und das Parlament der Europäischen Union sorgt sich darum.

Dann lese ich die folgenden Leserzuschriften. Ich lese fünfzig oder mehr davon. Alle schimpfen sie auf diese Schmarotzer, die nicht sparen wollen. Nur eine Stimme meint, der Etat täte der Mehrheit in Europa Gutes - sie wird aber von den Folgebriefen niedergemacht. Einige fragen sich noch, was diese Parlamentarier denn wollten, die gar keiner gewählt hat. Dass man vielleicht lokale Haushaltsposten für eine größere Sache opfern könnte, meint niemand. Wie leider auch anderswo in Europa, sagen sich die Menschen in Bezug auf Europa, wir bleiben hier. Der Zug fährt rückwärts, die Strecke kennt man schon. Und eine andere wollen wir nicht.

In einem wissenschaftlichen Beitrag lese ich, die Neandertaler wären uns, den Homo Sapiens, deshalb unterlegen gewesen, weil sie größere Augen gehabt hätten. Die Verarbeitung der größeren optischen Information hätte ihrem Gehirn weniger Raum zum Nachdenken gegeben. Wir waren ihnen deshalb intellektuell überlegen, haben sie verdrängt und schliesslich aussterben lassen. Scheußlich!

Haben die Asiaten eigentlich Schlitzaugen damit ihre kleineren Augenkugeln nicht herausfallen?

Samstag, 23. Februar 2013

Manager-Typen





Nachdem ich nun über einige Jahrzehnte mit den verschiedensten Menschen zu tun hatte, stellte ich kürzlich fest, dass mein einfach strukturiertes Hirn es sich hier recht einfach macht. Es verfügt über ein paar Etiketten, die es ohne großen Aufwand an die Menschen vor mich klebt. Sobald das geschehen ist, verfalle ich automatisch in ein vorbestimmtes Verhaltensmuster, das mir in den meisten Fällen hilft, mein Ziel zu erreichen.

Dies gilt vor allem in meinen Geschäftsaktivitäten, wenn ich es mit der Spezies Manager zu tun habe.

„Aha”, könnten meine grauen Zellen beispielsweise zu mir sagen, „hier haben wir einen Polizisten. Wieso führt der den Vertrieb? Warum haben sie ihn nicht schon längst im Lieferanteneingang als Wachmann eingesetzt?” Oder ich höre diese innere Stimme, die mich fragt: „Was macht denn dieser Zahlen-wiederkauende Affe hier als Chef der Öffentlichkeitsarbeit?”

Das ist genau das Problem mit den Organisationen. Sie scheinen wirklich gute Leute zu haben, doch die sitzen an den falschen Stellen. Der Unternehmer-Typ arbeitet im Archiv. Der verhandlungssichere Geschäftsmann reinigt Toiletten. Und so weiter. Es wäre so leicht, mit einigen wenigen Personalrochaden die Organisationen zu verbessern.

Problematisch bliebe allerdings bei jeder Umstellung dieser Art, was man mit der Gruppe der Manager vom Typ Politiker denn machen soll. Das sind diese machtbesessen Menschen, die immer da auftauchen, wo man mit ein paar zackigen Worten schnell in ein gutes Bild rückt um weitere Punkte für die nächste Beförderung zu sammeln. Arbeiten tun sie eigentlich nicht, es sei denn, an der Verbesserung ihres Golf-Handicaps. Im Grunde passen sie nur auf einen Platz im Unternehmen: an die Spitze. Nur ist es da leider sehr eng und es gibt zu viele Manager dieses Typs.

Freitag, 22. Februar 2013

Sternstunde

Drei Jahre haben sie ihm gegeben. Ob das reicht, die Sache in Schwung zu bekommen?

Die Nutzfahrzeuge in Europa stehen schon einmal gut da. Neue Modelle, auf Zukunft gebaut, niedrige Kosten für den Kunden. In Nordamerika auch nicht schlecht. In Lateinamerika hatte man mal die Hälfte des Marktes oder mehr in der Hand. Doch das zentrale Werk in Brasilien wurde zum Abstellplatz für Leute, die man belohnen, doch lieber nicht in den Vorstand lassen wollte. Eine Fehlentscheidung folgte der nächsten, über Jahre. VW do Brasil, jetzt MAN, baute dagegen konsequent erfolgreiche Fahrzeuge und Marktanteile aus, und ist nun der unumstrittene Anführer der südamerikanischen Nutzfahrzeugbauer. In Asien ließ man den Mitsubishi Canter an der langen Leine, statt die Marke konsequent an den Stern zu binden. Und in China und Indien, den großen Schwellenländern, ist man bis jetzt nur Mitläufer.

Trauriger sieht es bei den Pkw aus, die doch den Glanz der Marke ausmachen. In den letzten Jahren wurden Autos ohne Gesicht produziert. Der Stern allein, mal auf dem Kühler oder, schlimmer, riesengroß im Kühler, reicht doch nicht. BMW und Audi zogen davon, die haben Autos mit ihrem eigenen Charakter, die binden ihre Kundschaft. Mercedes sind nun verwaschene Einerleiautos geworden. Nichts Schlechtes und nichts Rechtes. Warum lässt man nicht wieder den Top-Designer Murat Günak dran? Er hat für Daimler die schönsten Autos der letzten Jahrzehnte erschaffen. Zurückholen lässt er sich vielleicht nicht, aber man kann ihm doch den Auftrag extern geben, das nächste Modell zu zeichnen.

Nachdem vor einigen Jahrzehnten, aufgrund all zu viel Ingenieurenthusiasmus auf der einen Seite und Controlling-Druck auf der anderen, die Pkw-Entwicklung bei Daimler aus den Fugen geraten war, sorgte ein junger Dieter Zetsche in kurzer Zeit für Ordnung. Er gewann die Achtung all seiner Kollegen: Intelligent, charmant und ein unermüdliches Arbeitstier. Da nun der Vertrieb schwächelte, gab man ihm das zum Umkrempeln. Hier gab es die ersten Ausrutscher: Als gelernter Ingenieur ging er an die Verkaufsmannschaften und Kunden erst so heran, als wären sie ein Maschinenpark. Bevor der Lernprozess einsetzte, dass man in einem Autohaus Kunden umschmeicheln muss, kaufte sich Daimler zu früh und damit viel zu teuer bei Chrysler ein. Als sich zeigte, dass man voreilig ein ziemlich marodes Gebilde eingefangen hatte, musste Dieter Zetsche nach Amerika, um den Karren aus den Dreck zu ziehen. Die störrischen amerikanischen Manager den in allen automobilen Belangen besseren Deutschen unterzuordnen, dafür war er wohl ein zu feiner Mann. Damit ging ein Projekt, das eine intelligente Symbiose hätte werden können, als teures Experiment unter. Automobil unerfahrene Investoren und Aufsichtsräte beschlossen daher das Ende des Jahrhundert-Mergers. Dieter Zetsche musste es abwickeln. Nun zeigen ironischerweise Italiener, den man sonst nicht viel Gutes nachsagt, dass da doch Geld zu machen ist.

Doch Hoffnung keimt nun auch beim Vorstandsvorsitzenden wieder auf. Als seine neue Partnerin wird die genial temperamentvolle Désirée Nosbusch in ihm das noch fehlende Quentchen an gutem Geschmack und Menschenkenntnis zum Vorschein bringen. Ich kaufe schon einmal Daimler-Aktien.