Dienstag, 23. April 2013

Kurtaxe. Oder: Jetzt geht es um die Wurst


Da brauchen wir uns keinen Illusionen hinzugeben. Auch wenn hohe Funktionäre sich auf die Brust schlagend behaupten, dass Steuerflucht nicht nur kein Kavaliersdelikt sei - das ist sie mit Sicherheit nicht - sondern die schlimmste Form asozialen Verhaltens, sollten wir uns klar darüber sein, dass in zehn oder zwanzig Generation, je nachdem mit welcher Geschwindigkeit der Fortschritt der Menschheit vorangetrieben wird, die Leute schallend lachend werden über den Eifer und den Einfallsreichtum, mit dem heutige Politiker Steuern erfinden, rechtfertigen und ahnden. Die Menschen werden sich auf die Schenkel klopfen und Tränen aus den Augen reiben beim Erzählen über unsere ulkigen Systeme, mit denen das Staatswesen seine Finanzen erbeutete. Nicht anders, als wir über Raubritter reden.

Schon heute gibt es erste Ansätze dieser zukünftigen Lachnummer, man braucht nur ein bisschen im Internet zu surfen. Die Amerikaner machen sich lustig über unsere Rundfunkgebühren, finden das und vieles andere mehr in den Steuersystemen des alten Kontinents schlechterdings unglaublich.

Nachdem wir unserer Nachwelt jede Menge Schulden, eine ziemlich ramponierte Umwelt und viel weiteren Heckmeck hinterlassen, ist es natürlich nett, mit unserem urkomischen Steuergehabe zumindest für etwas Fröhlichkeit in den folgenden Jahrhunderten gesorgt zu haben. Das sollte uns allerdings nicht daran hindern, schon jetzt ein paar Gedanken darüber zu verlieren, wie denn das Steuersystem reformiert werden könnte. Ich denke, es wäre gar nicht so dumm, den Versuch zu starten, ein funktionierendes System an uns Menschen anzupassen, statt weiter den permanenten Wahn zu verfolgen, die Menschen mit einem nicht funktionierenden zu unterwerfen.

Immerhin gab es bereits den einen oder anderen Versuch, das Abgabesystem zu rationalisieren. Ein Politiker setzte das Ziel, eine Steuererklärung auf einen Bierdeckel unterzubringen. Ein anderer wollte das Steuersystem auch grundsätzlich vereinfachen und wurde vom politischen Gegner schnell als spinnender Professor verhöhnt. Beide verschwanden von der Bildfläche. Schade. Allerdings, ein System, das tatsächlich unserem Wesen gerecht wird und trotzdem den Staat mit den notwendigen Einnahmen versorgt, um seine Aufgaben für die Allgemeinheit nachzukommen, steht noch aus.

Immer wieder wird heute in den Medien die Frage aufgeworfen: Wieso versuchen so viele Gutverdiener, die Steuer zu umgehen? Verdient ein bayerischer Wurstfabrikant denn sowieso nicht genug? Was soll diese Gier? Die ist doch krank.

Krank?

Besitz ist nicht nur ein Kulturgut der Menschheit. Um bei der Wurst zu bleiben: Geben sie eine dem niedlichen Dackel vom Nachbarn. Jetzt versuchen sie mal, dem sonst so freundlich gesinnten Tierchen dieselbe aus dem Maul zu ziehen. Oder beim Menschen, da können sie ganz früh testen: Nehmen sie doch einem Baby den Schnuller weg. Oder probieren sie es bei einem älteren Exemplar: Verlangen sie vom Firmenbesitzer eine Gehaltserhöhung. Die Reaktion ist die jedes Lebewesens, wenn es Gefahr verspürt: Es reagiert aggressiv. Oder es flüchtet. Oder es stellt sich tot. Instinktiv. Und welche dieser drei Optionen im konkreten Fall angewandt wird, entscheidet ganz schnell und spontan das Kleinhirn, über das sogar jede Eidechse verfügt, das keine Rationalität kennt und erst recht keine Moral, die sich irgendwo im menschlichen Frontalhirnbereich befindet, wenn überhaupt.

Die Kognitionswissenschaft hat inzwischen das menschliche Hirn während einer Geldausgabe gescannt. Es werden da die gleichen Areale aktiviert, die auch bei Todesgefahr in Anspruch genommen werden.

Todesgefahr.

Also ist die natürliche Reaktion auf Steuerzahlen die Flucht. Die Steuerflucht. Oder sich tot stellen: Kann mich nicht entsinnen, fragen sie meinen Anwalt oder Steuerberater. Aggression ist seltener. Ich erinnere allerdings einen Fall in den achtziger Jahren, bei dem diese dritte der natürlichen Reaktionen vom Kleinhirn der reich gewordenen Flamenco-Sängerin Lola Flores gezogen wurde. Sie schimpfte wie ein Rohrspatz, als die spanische Steuerfahndung sie festnahm, weil sie noch nie Einkommensteuer gezahlt hatte.

Das ist allerdings so. Wer gegen das Gesetz handelt, muss damit rechnen, festgenommen zu werden. Vor nicht allzu langer Zeit war Homosexualität ein Delikt. Wurde man überführt, drohten Gefängnisstrafen. Inzwischen hat man sich bei uns und in den meisten Ländern klar gemacht, dass das ein Gesetz gegen das von der Natur vorgegebene Verhalten von vielen Menschen ist.

Je besser wir den Menschen verstehen lernen, desto besser können wir auch unsere Gesetze gestalten.

Warum muss man eine Steuererklärung abgeben? Selbst auf einem Bierdeckel - es geht uns doch allen gegen den Strich. Bei den Möglichkeiten, die den Finanzämtern heute zur Verfügung stehen, ist das schlicht Unfug, was dem Bürger da zugemutet wird. Im Strafrecht muss ja auch keiner gegen sich selbst aussagen. Den meisten von uns wird bei der Bank die Quellensteuer auf die mageren Zinsen und die Einkommenssteuer bei der Gehaltsabrechnung des Arbeitgebers abgezogen. Unsere Bezüge sind alle bekannt und transparent, ob wir reich sind oder arm.

Bleibt da noch das Geld, das im Ausland verdient wird. Einige Länder, Oasen ohne Wüste zumeist, geben Informationen zu den Verdiensten nur ungern weiter. Da frage ich mich allerdings, steht einem Staat eine Steuer auf das Einkommen im Ausland überhaupt zu? Wohne ich in Deutschland, muss ich all mein Einkommen, egal wo erwirtschaftet, in Deutschland versteuern. Warum? Die Vereinigten Staaten gehen sogar noch weiter. Jeder US-Bürger, unabhängig von seinem Wohnort, also auch wenn er in Timbuktu wohnt, muss sein Einkommen in den USA versteuern. Weil er Amerikaner sein darf?

Die Abgaben werden doch mit dem Argument begründet, dass der eintreibende Staat etwas geleistet hat, was die Einnahmen des Steuerzahlers ermöglicht. Zum Beispiel, durfte er da zur Schule zu gehen. Oder, wenn nicht er, dürfen es nun seine Kinder. Oder er ist abends in den Genuss von der öffentlichen Strassenbeleuchtung gekommen.

Aber setzen wir doch einmal den Fall, ich, ein einfacher Angestellter, den immer seine Steuern auf Einkommen und Sparzinsen einbehalten wurden und der jedes Jahr brav zwei Wochenende drauf gehen lässt, um die Steuererklärung hinzubekommen, erbe plötzlich von einem zwar kinderlosen doch mir eher unbekannten Vetter meiner Mutter eine Wurstfabrik in der Karibik. Diese wirft nun jedes Jahr eine Million Euro Gewinn ab. Dass ich diese in der Karibik versteuere, leuchtet ein. Dort ermöglicht der Staat ja das gute Funktionieren meiner Fabrik. Aber warum soll ich das nun hier versteuern? Weil ich hier wohne, es das Gesetz so vorsieht, oder man zieht weg. Nun ja. Doch ich würde gerne in Deutschland bleiben und das Geld auch hier ausgeben. Aber dafür Steuern zahlen? Warum denn? Was hat den Deutschland für dieses Einkommen getan, wie hat es es ermöglicht? Weil die Nazis den Vater des Onkels verjagt haben, und unter den Nazis auch viele Deutsche waren? Oder was?

Quellensteuern auf Kapitaleinkünfte sind richtig. Die verlangt man, seit einigen Jahren und völlig korrekt, in Deutschland von In- und Ausländern. Denn dafür hat der Staat hier auch jede Menge Leistung erbracht. Steuern auf Einnahmen im Ausland gehören gestrichen, denn dafür hat der Staat in der Regel nichts erbracht und die Kontrolle, sprich der fragwürdige Einkauf von gestohlenen Bankdaten, ist auch recht aufwendig. Wenn wir eine Weltregierung haben, können wir wieder darüber sprechen. Doch bis jetzt kriegen wir ja nicht einmal ein vereintes Europa hin.

Nun höhnt man noch über Wurstfabrikanten und führt sie dann ab. Ist doch klar, auf Minderheiten herum zu hacken macht populär. Besonders, wenn diese zu den Reichen gezählt werden. Darauf hat schon so mancher Politiker eine unheilvolle Karriere bauen können. Doch, auch wenn vermögende Leute unsympathisch sein mögen und der Neid uns Besitzlose gerne packt: Wir brauchen die. Ein Land ohne wirklich Reiche wird schnell arm. Wenn es dem Reichen an den Kragen geht, werden bald alle ärmer.

Unsere Politiker weisen völlig zurecht auf die zunehmende Schere zwischen Arm und Reich hin. Geld verklumpt sich, wie ich in einem anderen Blog erläutere. Doch, wie wäre es, statt die Reichen stärker zu belangen, es uns übrigen zu ermöglichen, mehr Vermögen zu erwirtschaften und es halten zu dürfen? Sozusagen die Schere von der anderen Seite her zu schließen? Mir selber ist es, bei aller Missgunst, eigentlich lieber, selber reicher zu werden als die Reichen ärmer werden zu lassen.

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