Sonntag, 1. September 2013

Hirnforscher, Journalisten und das Schulsystem

Da ich zu viel Zeit im Verkehr verbringe, höre ich Podcasts. Man kann sogar Zeitungen hören, die man dann später gar nicht mehr zu lesen braucht. Herrlich! Die berüchtigten morgendlichen Staus der rumänischen Hauptstadt verlieren einen großen Teil ihrer schadenstiftenden Eigenschaft. Unter anderen abonniere ich Die Zeit in Audio-Ausgabe. Clever lesen, Zeit sparen.

Meine zwei Teenager gehen zum dem Zeitpunkt zur Schule. Ihr Erfolg da ist mehr schlecht als recht. Es wird viel Wissen vermittelt und dann abgefragt. Das ist nicht so ganz ihr Ding. Der Junge ist eher künstlerisch veranlagt und rein akademische Fächer fallen ihm schwer, beim Mädchen ist es eher andersherum, sie ist unterfordert und langweilt sich - beide motiviert in der Schule kaum noch etwas. In der Grundschule war das noch anders, da hatten Lehrer mehr Möglichkeiten, auf unterschiedliche Veranlagungen einzugehen. Die Lehrer der Oberstufe sind eher Fachleute, die ihren Stoff abgeben und dann kontrollieren müssen, was hängengeblieben ist. Doch ist in Zeiten, in denen das Wissen exponentiell zunimmt und das Internet jede Information bereithält, das was die Menschen brauchen?

Wenn ich die jungen Menschen ansehe, die mit uns im Betrieb zu arbeiten anfangen, kann ich mich dem Eindruck nicht erwehren, dass unser Ausbildungssystem sie eher zu konformen Bedenkenträger, bestenfalls karrierebessenen Individuen hinverbogen hat, die entgegen dem, was sie von sich selber halten, auch fachlich ziemlich hinter dem Berg sind. Wir müssen dann aus denen erst gute Kollegen machen, die lernen müssen, zu führen und geführt zu werden, die sowohl eigenständig wie im Team arbeiten können, die ihre vergrabene Kreativität wiederfinden und die sich ihr ganzes Berufswissen überhaupt erst einmal aneignen müssen.

Ich höre hin, ein Artikel über Bildung wird vorgelesen, über Bildungsrevolution. Das wird interessant. Martin Spiewak heißt der Journalist. Interessant wurde es dann leider doch nicht. Stattdessen muffelt der Journalist, dass sich Menschen wie der Populärphilosoph Richard David Precht oder ein wohl etwas selbstbezogener Prof. Gerald Hüther an dieses Thema heranwagen, die gar keine wissenschaftlichen Experten in der Angelegenheit sind. Da offensichtlich keine Experten vom pädagogischen Establishment am Schulsystem etwas auszusetzen haben, ist alles bestens. Es sind doch nur Laien, die einen diesbezüglichen medialen Wirbel veranstalten, eher nur - wie er andeutet - als Befriedigung ihres überdimensionierten Ego-Trips.

Den mich enttäuschenden Artikel können Sie hier nachlesen.

Es gab seitenweise Leserzuschriften. Der Autor selbst beteiligte sich auch an der Diskussion, ohne viel weitere Erkenntnisse beizutragen. Ich schätze Mal, dass 60% der Zuschriften meinten, man solle doch endlich mit den Reformen des Schulsystems aufhören und die Schüler bitte in Ruhe pauken lassen. Die übrigen meinten, so wie ich, dass die Zeiten sich gewaltig ändern, dass Menschen heutzutage eine ganz anders Ausbildung benötigen. Und dass das heutige System viel Entfaltungsmöglichkeit vergräbt, dass die Jugendlichen ursprünglich mit sich brachten.

Wie anders als der Artikel ist dagegen dieser 20-Minuten Beitrag von dem Engländer Ken Robinson in TED-Talk. Der bringt einen nicht nur dazu, sich dagegen oder dafür äußern, sondern mal wirklich nachzudenken. Das Thema ist universal, es betrifft Deutschland, USA, Rumänien, die Entwicklungsländer im gleichen Maß. Und ein Nachdenken ist das Thema bestimmt wert.






Ken Robinson: How to escape education's Death Valley

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