Sonntag, 31. März 2013

Geld verklumpt sich

Im Sozialismus waren alle gleich arm, mehr oder weniger. Doch schon kurz nach dem Fall der Mauer gab es in den ehemaligen GUS-Ländern Oligarchen, Menschen mit teilweise obszönem Reichtum. Eine kleine Minderheit unter den vielen anderen, die nun wirklich arm dran waren.

Rückblende: Unser kleiner Flieger setzt zur Landung an. Unten sehe ich Wüste in schmutzigem Grau. Dann plötzlich Grün, Palmen, Rasen, auf dem Reissbrett erstellte Straßenzüge, schöne Häuser, Golfplätze: Palm Spring.

Mit einigen Hundert anderen sind wir auf die Händlertagung eingeladen. Offensichtlich wurde das schöne Resort-Hotel komplett für unser Treffen angemietet, denn wir sehen nur Gäste mit Namensschildern, wie sie auch uns umgehängt wurden. Unsere Besonderheit: Wir sind vier Deutsche, alle anderen Amerikaner.

Abends erstes Zusammentreffen in einem maßlos großen Raum. Jeder erhält einen Stoffbeutel mit Jetons, die, mit dem Firmenlogo geprägt, in der Summe 100 Punkte Spielgeld ergeben. Im Saal sind alle bekannten Arten der Casino-Tische aufgebaut, Croupiers fordern zum Spielen auf. Auf der Bühne erklärt ein Veranstalter, dass es zwar für die Chips am Schluss in zwei Stunden keine Dollars geben würde - damals waren die was wert - sondern man damit an einer Versteigerung der Preise teilnehmen könnte.

Ein hoher dunkelblauer Vorhang tat sich auf, zu sehen waren die Preise: Ein Oldtimer-Cadillac, rosa. Wow! Eine Harley Davidson. Und noch ein paar Trostpreise.

In uns erwachten spontan die - ansonsten verkümmerten - frühkapitalistischen Genen. Wir wollten den Cadillac, zumindest den Roller! Als erstes taten wir unsere Startkapital zusammen. Jetzt hatten wir schon einmal vierhundert - damit allein ließen sich doch sicher die amerikanischen Einzelkämpfer um uns herum schlagen. Wir vertrauten unser Guthaben der einzigen Dame unter uns vier an, und setzten auf ihre angeborene weibliche Intuition. Zusätzlich berechnete der Controller unter uns, welche Spiele die aussichtsreichsten Gewinnchancen hätten. A winning team.

Schon bald sahen wir die ersten langen Gesichter um uns herum. Mit leeren Beuteln guckten sie neidisch zu, wie wir trotz der nach der Wahrscheinlichkeit höheren Gewinnchancen der Spielbänke, erst einmal unser Startkapital halten konnten, und später sogar noch etwas zulegten. Als die zwei Stunden herum waren, hatten wir unser Vermögen nahezu verdoppelt und strahlten der Preisversteigerung entgegen.

Erst waren die kleineren Dinge dran. Wunderlich, ein schäbiger Schal für 1.200 Punkte? Na ja. Mit amerikanischem Bombast kam dann der Höhepunkt: Die beiden Fahrzeuge. Das Motorrad ging für über 40.000, der Cadillac für über 70.000 an den jeweiligen Bestbieter. So eine Enttäuschung! Wie hatten die das in zwei Stunden geschafft? Und wir hatten nichts als ein Beutel mit wertlosen Jetons.

Nun arbeite ich schon lange in Ost-Europa und kann mir ganz gut erklären, wie es in Palm Spring dazu kam und warum es in diesen östlichen Gefilden einigen Wenigen gelang, so flugs und grandios auf die Sonnenseite des Kapitalismus herüber zu springen.

Geld verklumpt sich. Wie die Materie, von der es nur wenig Brocken im Universum gibt und der Rest ist leer, muss es auch irgendwelche Elementarteilchen für die Gravitation beim Geld geben. Einige haben dieses Higgs Boson fürs Geld aus Zufall, Glück, Frechheit - und ein paar sogar durch Fleiß gefunden. Bei denen kumuliert es. Für den Rest von uns zieht es als fernes, glitzerndes Gestirn am Firmament vorbei.






Freitag, 15. März 2013

Mia bleibet hier

Da ich nicht in Deutschland lebe, mache ich dies selten: während ich dies schreibe, fahre ich mit der Bahn von München bis Mannheim. Ein kalter Märzabend, die Mondsichel scheint dünn vom schwarzen Himmel ins Abteil zu grinsen.

Stuttgart. Hier habe ich einige schöne Jahre gelebt, liegt aber schon einiges zurück. Bin nach vorne fahrend heute hinein und fahre gerade rückwärts wieder heraus, was nicht so angenehm ist. War wohl noch nichts mit dem Bahnhofsumbau. Zurück blicken auch meine Erinnerungen.

Ein Theaterbesuch fällt mir wieder ein, ich fand nur einen Sitzplatz ziemlich hinten, von dem aus die Bühne gar nicht gut zu sehen war. Stuttgarter sind pünktliche Menschen, schon eine Viertelstunde vor Beginn waren alle da und warteten auf das, was da vorgestellt werden sollte. Da entdeckte ich in den ersten Reihen ein befreundetes Ehepaar. Wir winkten uns zu. Mit Zeichen gaben sie zu verstehen, dass sie sich gerne neben mich setzen wollten, damit wir uns noch ein bisschen unterhalten könnten. Neben mir saß eine Ehepaar, dem ich anbot, mit den viel besseren Plätzen meiner Freunde zu tauschen. Sie schauten mich gar nicht an, sahen stattdessen wie versteinert zum Boden. "Mia bleibet hier", sagte schliesslich und bestimmt der Mann, weiterhin nach unten blickend.

"Mia bleibet hier" wurde in meinem Freundeskreis schnell zum Spruch, um diese oft anzutreffende Neigung zu beschreiben, sich neuen Sachen zu verweigern, weil man grundsätzlich der Meinung ist, dass Unbekanntes schlecht sein muss und man im Leben eigentlich immer nur aufzupassen hat, nicht angeschmiert zu werden.

Ich lese im Spiegel Online, dass das EU-Parlament mit großer Mehrheit die Sparvorschläge der Regierungen zum EU-Etat abgeschmettert hat. Gut, denke ich in meiner Naivität. Europa brauchen wir alle, Europa macht uns gemeinsam stark, Europa ist die Chance für unsere Kinder, nicht vom Fernen Osten her überrollt zu werden. Um Europa zu gestalten, braucht man Mittel, und das Parlament der Europäischen Union sorgt sich darum.

Dann lese ich die folgenden Leserzuschriften. Ich lese fünfzig oder mehr davon. Alle schimpfen sie auf diese Schmarotzer, die nicht sparen wollen. Nur eine Stimme meint, der Etat täte der Mehrheit in Europa Gutes - sie wird aber von den Folgebriefen niedergemacht. Einige fragen sich noch, was diese Parlamentarier denn wollten, die gar keiner gewählt hat. Dass man vielleicht lokale Haushaltsposten für eine größere Sache opfern könnte, meint niemand. Wie leider auch anderswo in Europa, sagen sich die Menschen in Bezug auf Europa, wir bleiben hier. Der Zug fährt rückwärts, die Strecke kennt man schon. Und eine andere wollen wir nicht.

In einem wissenschaftlichen Beitrag lese ich, die Neandertaler wären uns, den Homo Sapiens, deshalb unterlegen gewesen, weil sie größere Augen gehabt hätten. Die Verarbeitung der größeren optischen Information hätte ihrem Gehirn weniger Raum zum Nachdenken gegeben. Wir waren ihnen deshalb intellektuell überlegen, haben sie verdrängt und schliesslich aussterben lassen. Scheußlich!

Haben die Asiaten eigentlich Schlitzaugen damit ihre kleineren Augenkugeln nicht herausfallen?